Daniel Pietzsch

Im Grunde gut

by Rutger Bregman

Book cover of “Im Grunde gut” by Rutger Bregman

Was fĂŒr ein Buch! Es ist lang. Aber ich fand es aber durchweg gut. Ich habe ĂŒber Monate der ungekĂŒrzten Hörbuchfassung gelauscht, wann immer ich mit dem Fahrrad eine lĂ€ngere Strecke unterwegs war.

Rutger Bregman geht der Frage nach, ob der Mensch von sich aus “im Grunde gut” ist, oder eher nicht. Besonders in der ersten HĂ€lfte des Buches geht es viel um die gegensĂ€tzlichen Ansichten der Philosophen Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau.

Hobbes ist der Ansicht, der Mensch sei im Grunde schlecht. Und das lediglich die (fortgeschrittene) Zivilisation uns hindert unseren tierischen, egoistischen, schlechten Instinkten nachzugehen. Rousseau sieht das genau andersherum: er ist der Ansicht der Mensch sei von Natur aus eher gut. Und die Zivilisation – und alles was damit einhergeht – haben in vielerlei Hinsicht unseren Charakter und Verhaltensweise verdorben.

Es werden fĂŒr beiden Seiten viele Argumente und Beispiele aufgezeigt und analysiert. Und – wie der Buchtitel vermuten lĂ€sst – deuten viele Studien und Indizien darauf hin, dass der Mensch tatsĂ€chlich eher gut ist. Diese These wird grundlegend damit begrĂŒndet, dass sehr viele schlechtes auf externe Faktoren zurĂŒckzufĂŒhren ist: existierende Machtstrukturen und politische Systeme, Landbesitz und anderes Privateigentum, Kapitalismus allgemein, Religion etc.

Offensichtlich – bei all dem schrecklichen Mist, der auf der Welt passiert – trĂ€gt der Mensch aber Potential fĂŒr gute und schlechte Seiten in sich. Und ob man glauben möchte, dass der Mensch tatsĂ€chlich “im Grunde gut” ist, sei von mir aus jedem ĂŒberlassen. Aber ich finde Rutger Bregman fĂŒhrt starke Argumente an, dass es in der Tat so ist.

Es scheint aber wohl so zu sein, dass (existierende) autoritĂ€re Strukturen nicht gerade ein wohlwollendes Miteinander fördern. Im Gegenteil: Macht korrumpiert nachweislich. Und wenn man die “Gegenseite” nicht wirklich kennt, ist es einfach sie als Feind zu sehen.

Insgesamt fand ich das Buch sehr gut. Ich fand es allein schon deswegen sehr interessant, ĂŒber die ganzen aufgezĂ€hlten Studien und historischen Ereignisse zu erfahren. Und so kann ich das Buch auch empfehlen, wenn man all seinen Thesen und Belegen keinen Glauben schenke möchte.

Hier sind noch ein paar stichwortartige Notizen:

  • Der Kapitalismus – mit Geld, Krediten, Schulden etc. – war keineswegs eine natĂŒrliche Entwicklung. Er hat sich nicht durchgesetzt, weil es das klar beste System war. Im Gegenteil, er musste mehr oder weniger aufgezwungen werden.
  • Dieser Kapitalismus war aber auch fĂŒr viel Wohlstand und Fortschritt verantwortlich – besonders in den letzten 200 Jahren.
  • Kommunistische AnsĂ€tze und Organisation funktioniert aber auch. Es gibt viele Beispiele wo ein kommunistisches System und/oder AnsĂ€tze aktuell sehr gut funktionieren. (Es gibt in Alaska z.B. fast sowas wie ein BGE.)
  • ErwerbstĂ€tigkeit (“Jobs”) – was heutzutage als völlig normal angesehen wird – galt als es damit losging oft als “bezahlte Sklaverei”.
  • All die Kontrolle und das daraus resultierende Management (in Unternehmen) sind oft nicht notwendig (zumindest sofern man mit intrinsisch motivierten Menschen zusammenarbeitet).
  • Es zahlt sich oft aus den Menschen erstmal zu vertrauen und wohlwollend zu begegnen. In den allermeisten FĂ€llen wird man dafĂŒr belohnt (man muss aber natĂŒrlich mit einer gelegentlichen EnttĂ€uschung rechnen).
  • Sich untereinander zu kennen hilft Vorurteile abzubauen und gut miteinander umzugehen. Kontakt ist essentiell fĂŒr ein gutes Miteinander. Wie gesagt, wenn man jemand oder etwas nicht kennt, ist es immer leicht dies als Feind zu sehen.
  • In Kriegen kĂ€mpfen viele Soldaten (weiter) aus Kameradschaft. Viele sind und waren nicht unbedingt ĂŒberzeugt von der Sache. Aber sie waren nunmal in der Situation gefangen und wollten ihre Kumpels nicht im Stich lassen.
  • Viele der Toten in Konflikten entstehen durch Tötung aus (teils sehr großer) Entfernung. Die wenigstens werden getötet in unmittelbaren Kontakt (den fĂŒr die meisten Menschen – auch Soldaten – gibt es da eine große Hemmschwelle).
  • Das Standford Prison Experiment war gestellt. Oder zumindest war es entweder nicht so wissenschaftlich, wie es immer dargestellt wurde, oder die Ergebnisse wurden absichtlich missverstanden und von einigen Leuten fĂŒr deren Agenda missbraucht.
  • Viele Konflikte und Ungerechtigkeiten begannen vor ca. 10000 Jahren als die Menschen anfingen Land fĂŒr sich zu beanspruchen.
  • Dass wir Augen mit einem hellen und dunklen Anteil haben – statt wie bei vielen anderen Tieren einfach ein schwarzes Auge – hat wohl viel dazu beigetragen erfolgreich zu kommunizieren, und uns gegenseitig zu verstehen und VerstĂ€ndnis fĂŒreinander zu entwicklen.

Webmentions (2)